Ich bin sehr dankbar für das Buch „Stadt der Freude“ ( Dominique Lapierre, Stadt der Freude Goldmann Verlag 1985). Es ist mit Abstand eines der besten, die ich je gelesen habe. Man darf es nicht zu schnell lesen, sondern muss die Schilderungen des Pater Lambert, des Rikschamannes Hasara Pal und anderer in sich aufsaugen. Man muss mitfühlen mit den Bewohnern vom Slumviertel Anand Nagar und sich immer wieder bewusstmachen, dass es auch heute noch das Schicksal von Tausenden ist. 

Ich begegne nicht der Not eines Elendsviertels, wenn ich die Menschen in den kleinen Dörfern besuche, aber ich sehe Armut. Ich sehe Häuser, die eigentlich keine Häuser sind, sondern dunkle Buden, in denen oft nur eine Glühbirne etwas Licht in der Nacht bringt. Ich möchte sicher nicht so leben - ohne Dusche, ohne Heizung, ohne Privatsphäre und mit einer Luftfeuchtigkeit von über 90 % und Schimmel an den Wänden, aber ich beneide die Menschen um ihre Einfachheit, ihre Freundlichkeit und ihre Hilfsbereitschaft. 
Stets bin ich willkommen, auch unangemeldet. Die Leute sagen: Wir sind arm, aber wir leiden nicht.

Wer ist arm? Wir Deutschen, die wir in unserem Überfluss dennoch unglücklich sind oder die Nepalesen, die als Teepflücker zufrieden sind mit dem, was sie haben?

Ich idealisiere nicht, denn ich sehe auch die Sorge der Jugendlichen um ihre Zukunft. Gerne würden sie später als Ärzte, Ingenieure oder Lehrer ihr Brot verdienen, und doch bleibt am Ende nur der Weg als Soldat beim Militär oder als Teepflücker im Sklavendienst der Genossenschaften. Ich sehe auch die Schnapsleichen im Gebüsch liegen, die am anderen Morgen, zerstochen von Insekten, mit einem Kater aufwachen und feststellen, dass ihre Eheprobleme trotz Alkohol noch nicht verschwunden sind. Ich sehe die zerrissenen Schuluniformen, die mir sagen, dass die Eltern sich nur mangelhaft um ihre Kinder kümmern.

Ich sehe das alles und noch viel mehr und dennoch frage ich mich: Wer ist reich, wer muss von wem lernen. Die Starken müssen anfangen zu teilen. Die Reichen sollten nicht nur ihren Überfluss teilen, es darf ruhig auch an die Substanz gehen, es ist viel Luft nach oben.

Die nächsten beiden Wochen helfe ich, die Schule in Malot zu renovieren, ich werde mich wohl als Maler und Gipser betätigen – mit Freude.


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