Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg

 22. Sonntag B         Mk 7, 1–8.14–15.21–23

In jener Zeit versammelten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesája hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief Jesus die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage! Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.

Jugendwallfahrt in das Heilige Land

Ich erinnere mich an die Jugendwallfahrt der Seelsorgeeinheit im Jahr 2012 nach Israel in das Heilige Land. Untergebracht waren wir in einer Jugendherberge am Berghang oberhalb des Sees von Genezareth. Wir hatten eine wunderbare Sicht auf den See und blickten im Norden bis zum Hermon und nach Osten bis weit in die Golanhöhen hinein.

Zur gleichen Zeit war auch eine Gruppe jüdischer Jugendlicher zu Gast in dieser Jugendherberge und wir konnten gut beobachten, wie sie bei einem jüdischen Fest nach den überlieferten Vorschriften Be-cher und Krüge abspülten. Es war genauso wie es im heutigen Evangelium berichtet wird.

Ich hatte aber den Eindruck, dass sie um den tieferen Sinn dieser Vorschriften nicht mehr wussten, denn es war nicht zu übersehen, dass die Jugendlichen diese religiösen Vorschriften nur sehr oberflächlich und ohne eine innere Beteiligung einhielten. Während sie miteinander alberten und Witze machten, erledigten sie die religiösen Vorschriften sozusagen nebenbei, schnell schnell.

Wäre der Gruppenzwang nicht gewesen, hätte sich wohl kaum einer von ihnen an die religiösen Überlieferungen und Riten gehalten und ich vermute, dass diese Dinge in ganz kurzer Zeit beiden säkular aufwachsenden Juden keine Rolle mehr spielen.

 

Auch bei uns Katholiken

Wir haben im kirchlichen Jahreskreis und in unseren Gottesdiensten einen reichen Schatz an religiösen Riten. Wir segnen das Agatha Brot und den Johannes Wein. Wir pflegen (noch) die Fronleichnams-prozession und die Andachten. Wir segnen die Kräuterbüschel an Maria Himmelfahrt und wir schlagen uns an die Brust beim Schuld-bekenntnis. Wir bekreuzigen uns, wir knien, wir sitzen, wir stehen und wir gehen beim Gottesdienst. Es gibt viele Riten, Traditionen und Bräuche, die wohl ein ganzes Buch füllen würden.

 

Traditionen schwinden

Wir merken aber auch, dass die gelebte Tradition bei uns immer we-niger wird. Traditionen sind so etwas Ähnliches wie die Leitplanken auf unseren Straßen. Sie helfen uns, die Richtung zu erkennen und sie machen es uns leichter, in der Mitte der Straße zu fahren. Aber was ist, wenn jemand gar nicht mehr als Christ leben möchte? Was ist, wenn sich jemand aus dem überlieferten Glauben verabschiedet und auf ganz eigenen Lebenswegen gehen möchte? Dann braucht er auch die Traditionen, die Riten und die Segnungen nicht mehr.

 

Wo ist dein Herz

Die Krux ist in unseren Tagen, dass nicht wenige den Glauben an Je-sus unserem Heiland längst verloren haben, aber immer noch an den Überlieferungen der Alten festhalten. So muss sich jeder in seinem eigenen Herzen prüfen, ob Jesus auch zu ihm sagen könnte: Du Heuchler du erst mich mit den Lippen, aber dein Herz ist weit weg von mir.

 

Dies meint: Edgar Wunsch, Pfr

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