Ist es gestohlen?

 

lassedesignen  by AdobeStock_48372063

Dienstag, 9 Woche JK    
Tob 2, 9-14

 




9Als ich, Tobit, am Pfingsttag einen Toten begraben hatte und in der Nacht nach Hause kam, legte ich mich an der Hofmauer zum Schlafen nieder, weil ich unrein geworden war. Mein Gesicht ließ ich unbedeckt,
10ohne auf die Sperlinge zu achten, die in der Mauer nisteten. Da ließen die Sperlinge ihren warmen Kot in meine offenen Augen fallen, und es bildeten sich weiße Flecke in meinen Augen. Ich ging zu den Ärzten, doch sie konnten mir nicht helfen. Achikar sorgte für meinen Unterhalt, bis er in die Provinz Elymaïs zog.
11Meine Frau Hanna fertigte zu Hause Webarbeiten an, wie sie Frauen zu machen pflegen,
12und lieferte sie dann bei den Bestellern ab. Einmal geschah es, dass sie ihr nicht nur den Lohn zahlten, sondern auch noch ein Ziegenböckchen dazuschenkten.
13Als sie heimkam, fing das Tier an zu meckern. Ich fragte sie: Wo hast du das Böckchen her? Es ist doch nicht etwa gestohlen? Dann gib es seinen Eigentümern zurück! Denn was gestohlen ist, darf man nicht essen.
14Sie erwiderte: Es wurde mir zusätzlich zu meinem Lohn geschenkt. Aber ich glaubte ihr nicht und verlangte, dass sie es seinen Eigentümern zurückbrachte, und ich schämte mich ihretwegen. Doch sie antwortete: Wo ist denn der Lohn für deine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit? Jeder weiß, was sie dir eingebracht haben.

Ist es gestohlen?
Tobit hört das Ziegenböcklein meckern und denkt sofort, dass es gestohlen sei. Sein Urteil ist von einer Sekunde auf die andere gefällt. Manchmal ist es wie ein Gift in uns, dass wir, wenn wir etwas hören oder sehen, sofort das negative annehmen. Ein falsches Urteil ist schnell gefällt. Der heiligen Franz von Sales gibt in seinem Büchlein „Philothea“ in Kapitel 28 ein gutes Gegenmittel gegen solche negativen Gedanken. 

Über das falsche Urteil.
„Was gibt es nun für Gegenmittel? Wer den Saft der äthiopischen Schlangenpflanze trinkt, glaubt überall Schlangen und schreckliches Gewürm zu sehen. Wer von Hochmut, Neid, Ehrsucht und Hass eingenommen ist, sieht überall nur Schlechtes und Tadelnswertes.

Die einen müssen als Heilmittel Palmwein trinken, den anderen rate ich: trinkt möglichst viel vom heiligen Wein der Liebe! Sie wird euch von diesem Gift befreien, das euch stets zu falschen Urteilen verleitet.

Die Liebe fürchtet, dem Schlechten zu begegnen, und ist weit davon entfernt, es zu suchen. Begegnet sie ihm, dann wendet sie den Blick ab und tut, als sähe sie nichts, ja sie schließt schon beim leisesten Geräusch die Augen

und glaubt dann in heiliger Einfalt, es sei nicht das Schlechte gewesen, sondern nur ein Schatten, ein Traumbild davon. Ist sie aber gezwungen, es als das Schlechte zu erkennen, so wendet sie sich sofort davon ab und sucht seinen Anblick zu vergessen. 

Die Liebe ist das wirksamste Heilmittel gegen jedes Übel, besonders gegen dieses. Den Augen der Gelbsüchtigen erscheint alles gelb; es heißt, sie werden gesund, wenn sie Schellkraut unter die Fußsohlen legen. 

Das Laster des freventlichen Urteils ist eine geistige Gelbsucht; sie lässt in den Augen der von ihr Befallenen alles schlecht erscheinen. Wer davon geheilt werden will, muss das Pflaster nicht auf die Augen oder den Verstand legen, sondern auf die Affekte, die man vergleichsweise die Füße der Seele nennen kann. Sind deine Affekte, deine Gesinnung gütig, so wird auch dein Urteil gütig sein; sind sie liebevoll, wird auch dein Urteil liebevoll sein. 

Das will ich dir an einem trefflichen Beispiel beweisen.
Isaak hatte gesagt, Rebekka sei seine Schwester. Abimelech sah nun, wie er mit ihr spielte, d. h. sie zärtlich liebkoste. Er folgerte daraus, dass sie seine Frau sei (Gen 26,7-9). Ein argwöhnischer Geist hätte geurteilt, dass Rebekka ein schlechtes Weib sei, oder wenn seine Schwester, dass dann Isaak in Blutschande mit ihr lebte. Abimelech aber nahm das an, was am ehesten der Liebe entsprach.

 

So musst auch du immer zugunsten des Nächsten urteilen, soweit es nur möglich ist. Hätte eine Handlung hundert Gesichter, so sollst du das schönste ansehen.“

Gott segne Sie
Edgar Wunsch, Pfarrer

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sternsinger nur mit weißer Hautfarbe?

Evangelium vom nächsten Sonntag - Taufe des Herrn

Was Harry Potter mit der Schweigespirale in unserer Gesellschaft zu tun hat.

Die Seelsorgeeinheit des heiligen Paulus

Die Erfüllung des Gesetzes

Moses mitten im Unwetter

Alle, die vom Geist bestimmt sind, trachten nach dem, was dem Geist entspricht.