Ich sehe Menschen; denn ich sehe etwas, das wie Bäume aussieht und umhergeht.

 

Mk 8, 22-26      Mittwoch, 6. Woche

 

In jener Zeit kamen Jesus und seine Jünger nach Betsaida. Da brachte man einen Blinden zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm den Blinden bei der Hand, führte ihn vor das Dorf hinaus, bestrich seine Augen mit Speichel, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: Siehst du etwas? Der Mann blickte auf und sagte: Ich sehe Menschen; denn ich sehe etwas, das wie Bäume aussieht und umhergeht. Da legte er ihm nochmals die Hände auf die Augen; nun sah der Mann deutlich. Er war geheilt und konnte alles ganz genau sehen. Jesus schickte ihn nach Hause und sagte: Geh aber nicht in das Dorf hinein!

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Ich bin dankbar, dass auch diese Heilung seinen Weg in das Evangelium gefunden hat, den wir sehen, wie Jesus diesem Blinden Schritt für Schritt das Augenlicht zurückschenkt. Ein einziges Wort oder eine einzige Berührung hätte genügt, um den Mann zu heilen. Aber Jesus nahm ihn an der Hand, führte ihn vor das Dorf, spukte ihm in die Augen, legte die Hände auf und heilte ihn dann in zwei weiteren Schritten. Jesus befreit ihn nicht in einem Schritt von seiner Blindheit, sondern nach und nach.

 

Auch in geistlichen Dingen führt uns der Herr nach und nach.

Wenn Menschen zum Glauben finden, dann entdecken sie nicht auf einen Blick die ganze Tiefe und Schönheit des Glaubens, sondern Schritt für Schritt und nach und nach.

Erst im Alter von 20 Jahren habe ich Interesse für Glaubensdinge gezeigt. Damals habe ich mich sehr für den großen Bereich der übersinnlichen Erscheinungen und den damit verbundenen Botschaften interessiert. Okkultismus und das Wirken der bösen Mächte hatte mein Interesse gefunden, die fantastische Welt der Engel hatte mich in ihren Bann gezogen. Die Frage nach Gott, nach Jesus und den Sakramenten war damals nicht so wichtig für mich. Im Rückblick muss ich heute sagen, dass ich damals auch wie jener Mann im Evangelium war, der Menschen als wandelnde Bäume sah. Ich hatte für die Randthemen der Theologie mehr Interesse wie für das Zentrum.

 

Von außen nach innen
Aber nach und nach hat sich das gewandelt. Heute haben dieser Themen nicht mehr das frühere Gewicht. Jesus ist mir wichtig geworden, das Studium und das Lesen in der Heiligen Schrift und die Feier der Eucharistie hat heute einen zentralen Platz in meinem Glaubensleben. Auch mich hat Gott an der Hand genommen, vor die Stadt geführt und mir Schritt für Schritt die geistlichen Augen immer weiter geöffnet.

 

Eine lebenslange Heilung
Das Schöne ist, dass Jesus nicht aufhört, mich immer tiefer in den Glauben einzuführen. Es ist nicht möglich, an einen Punkt zu kommen, von dem aus man die ganze Fülle und die ganze Schönheit des Glaubens erfahren und betrachten kann. Gott ist einfach zu groß und zu schön, um ihn in einem einzigen Blick wahrzunehmen. Vermutlich (hoffentlich) werde ich in 20 Jahren rückblickend auf das Jahr 2022 sagen: Damals war ich auch wie ein Mann, der die Menschen wie Bäume umhergehen sah.

 

 

Gott segne Sie,
Edgar Wunsch, Pfarrer

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